Resolution gegen die ICE Trasse durchs Auetal

Resolution gegen die ICE Trasse durchs Auetal

Die Resolution wurde am 10.09.2020 vom Rat der Gemeinde Auetal einstimmig verabschiedet.  
Die Empänger sind:
Bundesministerium: Dr. Andreas Scheuer
Landesministerium: Dr. Bernd Althusmann
Landkreis: Landrat Jörg Farr

Die Resolution im Wortlaut:

„Im Zuge der vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geplanten Beschleunigung der Bahnstrecke zwischen Bielefeld und Hannover droht der Bau einer Neubautrasse durch das Auetal für Züge mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h. Im „Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz)“ von 2016 und im „Bundesverkehrswegeplan 2030“,ebenfalls aus dem Jahre 2016, wird bezüglich der Strecke „Hannover – Bielefeld“ die Entscheidung – Ausbaustrecke („ABS“) oder Neubaustrecke („NBS“) – noch offengelassen.

In den „Informationen zum dritten Gutachterentwurf“ des „Zielfahrplans Deutschlandtakt“ vom Juni 2020 dagegen, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, wird in Bezug auf die „ABS/NBS Hamm – Hannover“ von einer Geschwindigkeit bis zu „300 km/h“ gesprochen, um die vom Deutschlandtakt geforderte Fahrzeitverkürzung zwischen den Bahnknotenpunkten zu ermöglichen. Das würde nicht ohne eine Neubautrasse durch das Auetal zu realisieren sein.

In der Pressemitteilung „Planung und Umsetzung weiterer Schienenprojekte kann starten“ vom 24. Juli 2020 teilt der Parlamentarische Staatssekretär, Enak Ferlemann, für das BMVI mit, dass die Planungen für die „ABS/NBS Hannover – Bielefeld“ in der Variante für den Deutsch-landtakt „noch im Jahr 2020 beginnen“ werden. Das bestätigt schließlich die Bundesregierung selbst, indem sie am 27. Juli 2020 betont, maßgeblich für die „in diesem Jahr“ noch zu schaffenden „gesetzlichen Grundlagen“ und die „inhaltliche Ausgestaltung“ der Strecke Hannover – Bielefeld sei die „Variante“ für den „Deutschlandtakt“ (Drucksache 19/20852). Die Schlinge um das Auetal zieht sich zu. Die Gefahr einer Neubautrasse wird immer größer.

Dagegen halten wir fest: Wir lehnen es ab, im Kontext der geplanten Beschleunigung der Bahnstrecke zwischen Bielefeld und Hannover für den sogenannten „Deutschlandtakt“ eine Neubautrasse der Bahn durch das Auetal zu bauen. Stattdessen setzen wir uns für einen trassennahen Ausbau der Bestandsstrecke ein. Auch wir sind im Kontext der aktuellen Veränderungen im Bereich der Mobilität für die Stärkung der Bahn. Aber wir sind der Meinung, dass bei Umstrukturierungen und Baumaßnahmen mit dem Deutschlandtakt flexibler und kreativer umgegangen werden muss. Der Deutschlandtakt darf nicht so starr und unbeweglich sein, dass er alles beiseite räumt, was auf seinem Wege liegt. Er muss auch topografische und kulturelle Besonderheiten – die Lebenswelt der Menschen, die vorhandenen Naturräume – berücksichtigen. Er darf nicht alles gnadenlos zerschneiden und zerstören, was nicht in sein Raster passt. Ganze Regionen dürfen nicht einem Halbstunden-Schema unterworfen werden.

Die Vertreter der „Initiative Deutschlandtakt“ sind von der Alternativlosigkeit der Neubaustrecke durch das Auetal überzeugt. Sie behaupten apodiktisch und rücksichtslos, es gebe keine andere Möglichkeit zur Verbesserung der Bahnlinie zwischen Bielefeld und Hannover: Ländliche Regionen wie das Auetal müssten sich – als bloße Transiträume betrachtet – dem Mobilitätswunsch der Metropolen unterordnen. Gegenüber dem überwältigenden Wunsch von vermeintlich 22 Millionen Menschen in den Ballungsräumen – eine gewagte Zahlenakrobatik! – müssten die Interessen des ländlichen Raumes zurückstehen. Das bedeutet: Die Belange von 6000 Auetalerinnen und Auetalern würden keine Rolle spielen. Wo in unserem dicht besiedelten Land nur relativ wenige Menschen leben, dort könnte ohne Rücksicht gebaut werden, das wäre vernachlässigbare Verfügungsmasse, dort gäbe es nichts gravierend Schützenswertes.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Das Auetal, zwischen Bückeberg und Wesergebirge gelegen, ist eines der schönsten Täler Niedersachsens. „Häuser wie Perlen am Wege entlang des Bachs aufgereiht“, „schaumburgische Harmonie von städtischer Lebendigkeit und ländlicher Ruhe“, „verträumte Täler, Edelsteine der Architektur, lebendige Städte“, „vielfältig mit Tieren und Pflanzen besiedelte Lebensräume“, „eine Gegend, in der sich Menschen, Tiere und Pflanzen wohlfühlen können“, wie es in Publikationen der „Schaumburger Landschaft, Bückeburg“ heißt („Kulturpfad Schaumburg“ und„Naturpfad Schaumburg“).

Es sind beispielsweise die Güter Wormsthal (Altenhagen), Nienfeld (Antendorf), Oelbergen (Poggenhagen), Südhagen (Hattendorf) und Bodenengern mit seinem Wasserschloss (Rannenberg), die historischen Kirchen in Kathrinhagen, Hattendorf und Rehren, der Bernser Eisenhammer, die Windmühle in Escher, die Borsteler alte Dorfschule, die Radener Süntelbuche, das Bergbad in Rolfshagen, Dorfplatz und Dorfbrunnen in Wiersen, die Naturidy-len von Klein Holtensen, Schoholtensen und Westerwald. Hier gibt es ein reges Dorfgemeinschaftsleben, Naturschutzmaßnahmen, Denkmalschutz.

Wir leben in einer Region, die nicht für die Ballungsräume funktionalisiert werden darf. Der Landkreis Schaumburg und das Auetal haben einen eigenständigen Wert als Kultur- und Naturlandschaft. Im Namen der Mobilität für erschreckend wenige Minuten Fahrzeitverkürzung die vorhandenen intakten Natur-und Kulturräume industrialisieren und dabei Milliardenbeträge im Erdreich vergraben? Das kann nicht der Weg sein, der vor der nächsten Generation zu verantworten ist. Deutschland ist eines der am dichtesten besiedelten Länder Europas. Darf bei dieser Siedlungsdichte wirklich alles, was noch frei ist, gemäß der Vorstellung ‚Immer größer, immer schneller, immer weiter, immer mehr!‘ sorglos zugebaut werden? Eine sparsamere Flächennutzung und eine Entsiegelung von Böden sind das Gebot der Stunde. Hinzu kommt, dass unsere Region bereits heute durch die Autobahn A2 extrem belastet ist, damit aber schon seit langem einen wichtigen Beitrag zur Ermöglichung von Mobilität und zur Verbindung der Ballungsräume leistet.

Deswegen sind wir für den trassennahen Ausbau der Bestandsstrecke, für einen modifizierten Deutschlandtakt und gegen eine Neubautrasse der Bahn durch das Auetal! Wir setzen uns dafür ein, dass das Land Niedersachsen von seinen politischen Möglichkeiten Gebrauch macht und sich deutlich – dem Koalitionsvertrag entsprechend – für den trassennahen Ausbau der Bestandsstrecke und gegen die Neubaustrecke ausspricht, das heißt auf der „einvernehmlichen Klärung“ der noch „offenen Punkte (gesetzliche Grundlagen, inhaltliche Ausgestaltung)“ hinsichtlich der „ABS/NBS Hannover – Bielefeld“ besteht (Drucksache 19/21276 des Deutschen Bundestages, 19. Wahlperiode, vom 27. Juli 2020) und damit den von der Bundesregierung eingeräumten Spielraum nutzt.

Wir setzen uns dafür ein, dass die regionale Verkehrsinfrastruktur verbessert und ausgebaut wird, beispielsweise durch ein dichteres Netz von Busverbindungen und einen länderübergreifenden Verkehrsverbund im Nahverkehr. Wir setzen uns dafür ein, die vielfältige Kulturarbeit und die Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und Natur zu verstärken und durch breit gestreute Aktivitäten immer wieder ins Bewusstsein zu rufen: Denn – wie es bei der „Schaumburger Landschaft“ heißt –„man kann nur schützen, was man kennt.“
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